(br) Die seit rund 20 Jahren unveränderte Tarifstruktur TARMED wird per 1. Januar 2026 durch die Einzelleistungstarifstruktur TARDOC sowie durch eine Tarifstruktur mit ambulanten Pauschalen ersetzt. Der Bundesrat hat an seiner heutigen Sitzung das neue Gesamt-Tarifsystem für ambulante ärztliche Leistungen genehmigt. Die Genehmigung ist bis am 31. Dezember 2028 befristet, damit die nach der Einführung des neuen Systems noch notwendigen Anpassungen vorgenommen werden können.
Die Genehmigung und Umsetzung eines neuen Gesamt-Tarifsystems für ambulante ärztliche Leistungen ist ein wichtiger Meilenstein. Die seit 2004 geltende Tarifstruktur TARMED entspricht nicht mehr den Gegebenheiten der heutigen Medizin.
Nach über zehn Jahren andauernden Verhandlungen hatten die Tarifpartner – Versicherer und Leistungserbringer – dem Bundesrat im Dezember 2023 zwei separate Genehmigungsgesuche eingereicht. Ein Gesuch betraf die Einzelleistungstarifstruktur (TARDOC), das zweite die Tarifstruktur für Patientenpauschalen (ambulante Pauschalen). Im Juni 2024 hat der Bundesrat die beiden unterbreiteten neuen Tarifstrukturen teilgenehmigt und Vorgaben für deren Einführung per 1. Januar 2026 festgelegt. Der Bundesrat verlangte noch eine bessere Abstimmung der beiden Tarifstrukturen – insbesondere in Bezug auf die Kostenneutralität. Weiter forderte er, dass die Zahl der mit Pauschalen finanzierten ärztlichen Leistungen reduziert wird.
Seit Juni 2024 haben die Tarifpartner deshalb unter der Federführung der Organisation ambulante Arzttarife (OAAT AG) ein Gesamt-Tarifsystem – bestehend aus TARDOC und den ambulanten Pauschalen – und einen entsprechenden Tarifvertrag ausgearbeitet. Anfang November 2024 reichten sie beim Bundesrat das Genehmigungsgesuch für den gemeinsam unterzeichneten Tarifvertrag ein. Generell ermöglicht TARDOC eine genauere Abrechnung der Konsultationsdauer als TARMED und trägt den Besonderheiten und Bedürfnissen der Hausarztmedizin besser Rechnung. Die Pauschalen vereinfachen die Rechnungsstellung und begrenzen die Anreize zur Erhöhung der abgerechneten Leistungsmengen.
Bessere Koordination zwischen TARDOC und den Pauschalen
Gemäss den Vorgaben des Bundesrates vom 19. Juni 2024 wurden die beiden Tarifstrukturen untereinander koordiniert. Das betrifft insbesondere die grundlegenden Definitionen (beispielsweise den Begriff Sitzung) und den jeweiligen Anwendungsbereich der beiden Tarifstrukturen. Weiter beschlossen die beiden Tarifpartner, die medizinische Interpretationen und die Abrechnungsregeln der Tarifpositionen für Notfälle und dringliche Konsultationen oder Besuche zu präzisieren. Diesem Beschluss gingen zwei Bundesgerichtsurteile vom 24. Juni 2024 zu ähnlichen Positionen in TARMED voran.
Gegenüber der vom Bundesrat am 19. Juni 2024 teilgenehmigten Fassung der ambulanten Pauschalen sind rund 140 Positionen aus dem Katalog der Pauschalen gestrichen worden, damit die Pauschalen vorwiegend in den Spitälern und weniger in Arztpraxen zur Anwendung gelangen. Die verbleibenden 315 ambulanten Pauschalen machen in ihrer aktuellen Version 13 Prozent des Gesamtvolumens der ambulanten Kosten aus. Bei den Arztpraxen beträgt der Anteil 9 Prozent des Gesamtkostenvolumens (20 Prozent in der vorherigen Version), bei den Spitälern sind es 19 Prozent. Die Forderung des Bundesrates, das Volumen der von den Pauschalen betroffenen Kosten in den Arztpraxen zu halbieren, ist damit erfüllt.
Kostenneutralität
Der Wechsel des Tarifierungssystems an sich darf nicht zu einer Kostensteigerung bei den ambulanten ärztlichen Leistungen führen. Zur Erfüllung der Vorgaben des Bundesrates haben die Tarifpartner die Methode zur Wahrung der Kostenneutralität über die beiden Tarifstrukturen – TARDOC und Pauschalen – hinweg abgestimmt. Die Tarifpartner haben auch die Vorgabe des Bundesrats eingehalten, wonach der jährliche Anstieg der Gesamtkosten höchsten 2,5 Prozent betragen darf. Nur in begründeten Fällen dürfen die Kosten stärker steigen. Der Bundesrat hat zudem eine Obergrenze für die jährliche Zunahme der effektiven Gesamtkosten der ambulanten ärztlichen Leistungen festgelegt. Diese ist auf 4 Prozent der Gesamtkosten limitiert. Sie basiert auf dem durchschnittlichen Kostenanstieg pro versicherte Person von circa 3 Prozent pro Jahr für ambulante ärztliche Leistungen sowie der durchschnittlichen Bevölkerungsentwicklung von circa 1 Prozent pro Jahr in den letzten 10 Jahren. Wird diese Grenze überschritten, müssen die Tarifpartner Korrekturmassnahmen ergreifen.
Mit dieser Vorgabe sollen die bei der Kostenneutralität noch bestehenden Lücken geschlossen werden. Weiter werden Empfehlungen an die kantonalen Behörden gerichtet, die für die Genehmigung oder Bestimmung der Taxpunktwerte zuständig sind. Ihre Beschlüsse werden bei der Einführung des neuen Gesamt-Tarifsystems eine zentrale Rolle für die Ausrichtung auf das Ziel der Kostenneutralität spielen.
Befristete Genehmigung
Der Bundesrat anerkennt die grossen Anstrengungen der Tarifpartner. Die Einführung des neuen Gesamt-Tarifsystems ist eine bedeutende Herausforderung für das Gesundheitssystem und stellt eine grundlegende Umstellung in der Abrechnung der ambulanten ärztlichen Leistungen dar. Zudem müssen die beiden Tarifstrukturen – insbesondere in Bezug auf die Homogenität bestimmter ambulanter Pauschalen, die Minutagen und die in TARDOC vorgesehene Auslastung der Infrastrukturen – verbessert werden. Damit diese Anpassungen vorgenommen werden können, ist die Genehmigung durch den Bundesrat bis am 31. Dezember 2028 befristet.
Der Bundesrat plädiert an alle Akteure des Gesundheitswesens, diesen Tarifwechsel mit Geduld zu begleiten. Das neue Gesamt-Tarifsystem ist dynamisch und soll sich stetig weiterentwickeln. Deshalb wird die OAAT AG die ambulanten Pauschalen im ersten Jahr nach ihrer Einführung überprüfen. In diese Arbeiten werden auch die medizinischen Fachgesellschaften einbezogen werden. Das Eidgenössische Departement des Innern und das Bundesamt für Gesundheit begleiten die Arbeiten der OAAT AG und der Tarifpartner eng, die bereits eine nächste Version der Tarifstrukturen vorbereiten, aufmerksam.