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Frick: Informative Veranstaltung «Lasst den Nachwuchs los» gab Tipps in Umgang mit Heranwachsenden
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Frick: Informative Veranstaltung «Lasst den Nachwuchs los» gab Tipps in Umgang mit Heranwachsenden

In regionaler Zusammenarbeit mit «Schule trifft Wirtschaft» besuchten viele Eltern vergangenen Samstag die Veranstaltung in der Aula der Schule Frick, um Tipps und Denkanstösse im Umgang mit ihren heranwachsenden Kindern zu bekommen. Der Fokus lag dabei auf dem Thema Berufsorientierung und Lebensplanung.

ANDREA WORTHMANN

Gemeinsam mit Franziska Bircher, Präsidentin Gewerbe Region Frick-Laufenburg, begrüsste Schulleiter Lothar Kühne die interessierten Eltern und versprach ein informationsreiches Referat der Erziehungswissenschaftlerin Margrit Stamm. Eltern seien eine wichtige Brücke zwischen Schule und Berufsfindung, so Kühne, gleichzeitig dürfe ruhig auch mehr Gelassenheit im Umgang mit dem Nachwuchs gezeigt werden. Margrit Stamm ist emeritierte Professorin für Pädagogische Psychologie an der Universität Fribourg und kennt sich aus mit der Thematik. «Familie hat eine grosse Bedeutung im Bezug auf Bildung», sagte sie zu Beginn ihrer Präsentation, «aber Eltern sind nicht an allem Schuld.» Etwa die Hälfte des Bildungserfolgs sei nicht der Schule zuzuschreiben, sondern äusseren Einflüssen. Ein grosser Teil davon sei die Familie, führte Stamm aus.


Drei provokante Thesen
Nach einer kurzen Einführung in die Thematik, stellte Stamm drei Thesen zur Meinungsbildung auf, um im Anschluss näher darauf einzugehen. Die erste These behauptete, hohe Leistungserwartungen von Schule und Eltern seien von zentraler Bedeutung, in der zweiten These hiess es, eine bedürfnisorientierte Erziehung mache Kinder selbstbewusst und die dritte These stellte die Behauptung auf, dass Elternängste die Kinder unselbstständig machen. Kinder, die nach These 1 erzogen werden, sind vermehrt gestresst, da der Druck oft zu hoch ist. «Kinder sollten nicht als wandelnde Note betrachtet werde oder das Gefühl haben, sie genügen nicht», sagte Stamm. «Kinder sind kleine Seismografen, die sehr gut spüren, was die Eltern erwarten und ob sie zufrieden sind.» Das stresse sie. Dazu komme oft der Druck aus dem sozialen Umfeld, im Speziellen Vergleiche mit Kindern von Nachbarn, Freunden oder Familie.


Auf TikTok ist Stress «in»
Auch die sozialen Medien tragen einen nicht unerheblichen Teil dazu bei. Teilweise verbringen die Kinder bis zu 7,5 Stunde pro Tag in den sozialen Medien wie TikTok. Dort ist Stress «in» und Influencer geben sogar Tipps, wie Kinder den Stress besser bewältigen können. Rund ein Drittel der Kinder gibt an, durch Schule aber auch Freizeit (Sport, Musik) gestresst zu sein ( Pro Juventute Stress-Studie ). Meist hat das auch ein Schlafdefizit zur Folge. Als neues Phänomen nannte die Erziehungswissenschaftlerin «Schulschwänzen als Ventil» bei psychischem Druck und Stress. Die dadurch gewonnene Zeit werde oftmals sogar zum Lernen genutzt. Die zweite These lehnt Stamm ab. Bedürfnisorientierte Kinder würden oft anspruchsvoll, da sie überbehütet und verwöhnt seien. Die Eltern möchten ihren Kindern gerne jeden Wunsch erfüllen. Das könne dazu führen, dass die Kinder weniger Eigeninitiative ergreifen (müssen). Eine Gewöhnung trete ein und Misserfolge passierten weniger, da die Eltern dies versuchten zu verhindern. Aber gerade diese sollten Eltern zulassen, damit der Nachwuchs die Chance habe, daraus zu lernen. These 3 hält Margrit Stamm für richtig. Ängstliche Eltern, die ihre Kinder kontrollieren oder gar tracken, riskierten, dass die Kinder eine Selbstständigkeit gar nicht erst lernen.


Ziel: Lebenstüchtigkeit
Um also die Kinder sorglos in die Welt zu lassen, sollte man laut Stamm auf positive Autorität und Autonomie setzen: liebevolle Erziehung mit Regeln und Strukturen. Zum Umgang mit dem Smartphone rät die Expertin digitale Auszeiten, die man als Eltern aber unbedingt vorleben sollte. Misserfolge der Kinder sollten Eltern nicht zu ihren eigenen machen, sondern das Kind positiv ermuntern, etwa mit Sätzen wie «Du schaffst das». Neben den Noten, seien auch andere Kompetenzen wie Hartnäckigkeit oder Interesse wichtig für den Schulerfolg. Für die Berufswahl sei es vor allem wichtig, auf die Neigung und das Interesse des Kindes zu setzen, satt auf den Wunsch der Eltern. Ausserdem werde grundsätzlich zu viel auf die Defizite der Kinder, statt auf deren Stärken geschaut. Abschliessend Bild 2appellierte Stamm an die Eltern, ihren Kindern mehr zu vertrauen und gelassener zu sein.


Im Anschluss an das Referat fand eine Podiumsdiskussion statt, an der neben Margrit Stamm auch Martina Kuhn Burkhard, Rektorin der neuen Kantonsschule Aarau, Margret Baumann, Rektorin der Berufsschule Aarau, Michèle Grellinger, Helvetia, Next.Generation, sowie Thomas Leu, Florian Gartenbau GmbH, und Gion Venzin, Lehrer Oberstufe Gipf-Oberfrick, teilnahmen. Denise Schmid, Studer Anwälte & Notare und Gemeinderätin Wittnau, moderierte die Runde.
Hier lag der Fokus vor allem auf der Berufsfindungssituation von Schülerinnen und Schülern. Diskutiert wurde über Helikoptereltern, Schulempfehlungen, Schnuppertage und Unterstützung innerhalb von Lehrbetrieben. In einer anschliessenden Fragerunde konnten die anwesenden Eltern ihre Anliegen oder Fragen platzieren. Margrit Stamm brachte es in einer Antwort nochmal auf den Punkt: Eltern können ihre Kinder am besten unterstützen in dem sie sich anbieten, aber nicht aufdrängen. Sie sollten ihre Kinder nicht kontrollieren, sondern ihnen Mut machen und Vertrauen schenken. Ganz nach dem Motto: «Lasst den Nachwuchs los»

 

Bild 1: Schullleiter Lothar Kühne mit Franziska Bircher (Mitte) und Prof. Dr. Margrit Stamm.
Bild 2: Die Podiumsdiskussion bot auch Raum für Fragen der Eltern. Von links: Prof.Dr. Margrit Stamm, Martina Kuhn Burkhard, Margret Baumann, Denise Schmid, Gion Venzin, Michèle Grellinger, Thomas Leu.
Fotos: Andrea Worthmann